Historie: Vom „Schneider Pack“ zur IPK-Plus-Methode
Martin Morand + Bernd Schneider
Hintergrund / Einleitung: Die Wirkung verändert sich entschieden, wenn zwischen einer zur intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie dazugehörigen handelsüblichen Manschette und einer zu entödematisierenden Region eine ausdrücklich dicke Schicht (mindestens 7 cm) von fein gewürfeltem elastischen Schaumstoff aufgebracht wird. An den Extremitäten verwendet man eine Muffe, an anderen Stellen kommen Kissen in Betracht, deren Wandung z.B. aus einem handelsüblichen Baumwollschlauchverband bestehen kann. Auf ein Absteppen einzelner Kammern wird bewusst verzichtet, damit nach dem Prinzip „hohe Auflage gleich höherer Druck“ fallbezogen regional Gestaltungsspielräume geschaffen werden können. Eine solch beschriebene Komponente hält einer Kochwäsche stand. Erstmalig im Jahr 2018 wurde diese Form der Anwendung von ihrem Entwickler Martin Morand als IPK-Plus Methode bezeichnet.
Die Erfindung der Einlage aus den späten achtziger Jahren geht auf den Therapeuten Bernd Schneider zurück, der zwar auf Komplexe Physikalische Entstauungstherapie spezialisiert war, der die IPK aber nicht mit diesen sogenannten Schneider-Packs bzw. -Muffen eingesetzt hat, sondern diese Komponenten sehr gut verträglich unter Kompressionsbandagen verwendete. Die intermittierende pneumatische Kompressionstherapie (IPK) war in der Földi Klinik eher verpönt, niemand aus dem Therapeutischen Lager war mit der Methode vertraut.
Martin Morand, ein Zeitzeuge erinnert sich:
Auch ich war wie Bernd Schneider von 1987 – 1991 als Therapeut an der Földiklinik beschäftigt. Allgemein herrschte dort ein sehr angenehmes Betriebsklima, verbunden mit einem stets regen Austausch unter erfindungswütigen Kolleginnen und Kollegen. Es gab viele spannende Fälle, denn schwere Kollateralschäden aus der onkologischen Therapie, die durch einen damals noch alles andere als schonenden Umgang mit dem Lymphgefäßsystem von Seiten der Chirurgie und Strahlentherapie verursacht wurden, waren immens. Überwiegend auch durch das von den Therapeutinnen und Therapeuten erbrachte Engagement wurden lymphangiologische Ödemerkrankungen geradezu leidenschaftlich und mit viel kreativem Einsatz entstaut. Bernd Schneider ein sehr ambitionierter Kollege glänzte stets überdurchschnittlich, wobei sein universal handwerkliches Geschick großartige Ergebnisse hervorbrachte! Sehr geschätzt auch von Seiten der ärztlichen Leitung, Prof. Dr. Földi, Ethel und Michael, wurde ihm 1988 der Fall einer jungen Frau mit einem hochgradigen primären Beinlymphödem zugewiesen. Die australische Patientin befand sich in Begleitung von Journalistinnen/-en, die exklusiv darüber berichten durften, wie nun dieses massive Lymphödem unter der Regie von Bernd Schneider entstaut wurde. In dieser Zeit bin ich dann eines Abends darauf gestoßen, wie mein WG-Mitbewohner in seinem Zimmer an der Nähmaschine sitzend klein geschnipselten Schaumstoff in Kissen verpackt zunähte. Es war ihm zunächst keine Antwort zu entlocken, als ich ihn gezielt nach dem Sinn der Übung befragen wollte. Erst zwei Tage später zeigten sich die ersten hervorragenden Ergebnisse seines Tuns, von denen zunächst Frau Prof. Földi, Bernd Schneider selbst und natürlich eine sehr zufriedene Patientin sehr beeindruckt waren. Pressestimmen aus Australien wurden mir nicht bekannt, dafür aber, dass Schneider dann wenig später noch auf die sehr geniale Idee kam, einen „Schneider Pack“ in Muffform zu kreieren, der so eine gleichmäßige Rundumversorgung bei der Anwendung an den Extremitäten ermöglichte. Entgegen vieler guter Vorsätze der ärztlichen Leitung wurden seinerzeit aber letztendlich keine Untersuchungen zu der Wirkungsweise durchgeführt. Rückblickend kann man aber sagen, dass sich zahlreiche sehr erfahrene Mitarbeiter der Földi Klinik (Fachklinik für Lymphologie), Ärzte und Physiotherapeuten von den sicht- und tastbaren Behandlungsresultaten sehr erstaunt zeigten. Aussagefähige Veröffentlichungen sind mir nicht bekannt. Es liegen knapp kommentierte Bilder vor, die nur zu Teilen die Ideen von Bernd Schneider aufzeigen. Trotz der vielen Vorzüge kam diese in ihrer Wirkung bis heute nicht erreichte Methode schon bald aus der Mode. Sie kommt in der ursprünglichen Form seit Jahren so gut wie überhaupt nicht mehr zum Einsatz. Aus meiner Sicht lässt sich dies so erklären: Die Herstellung solcher Abpolsterungseinlagen muss in aufwendiger Handarbeit erfolgen, und die Materialkosten sind in der Regel von einem Behandlungszentrum selbst zu tragen. Insbesondere die von Schneider entwickelten Einlagen in einen Kompressionsverband zu integrieren, erfordert eine längere Wickelerfahrung der ausführenden Therapeutin bzw.-des Therapeuten; zudem ist der notwendige Zeitaufwand für das Bandagieren selbst auch für Therapeutinnen/-en mit viel Routine recht hoch. Ein weiteres Problem besteht darin, dass das vergrößerte Volumen des Verbandes manchen Patienten Schwierigkeiten bereitet.
Vom Schneider Pack zur IPK+ Idee
Im Februar 2009 bekam ich Martin Morand, das Angebot, als Berater für ein finnisches Startup Unternehmen zu arbeiten. Zuvor wurde mir am Rand der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie 09/2008 in Dresden ein Gerät vorgestellt, mit dem man durch auf den Hautmantel wirkende Saugintervalle Lymphgefäße zu einer Mehrtätigkeit anregen sollte. Obwohl meine damals geäußerte Meinung den Erfindern und einer Vertreterin des finnischen Ministeriums für Außenhandel nicht gerade gut gefallen haben dürfte, bekam ich zu meiner großen Überraschung eine Einladung nach Helsinki. Erst dort vor Ort kam mir der zündende Einfall, dass man mit der Technik induriertes Gewebe, z.B. bei Lymphostatischer Fibrose, lockern könnte. Ich bekam dann auch den Zuschlag, Praxistests in dieser Richtung durchzuführen, ein Techniker gelang es das auf meine Idee hin in der Ansaugphase auch noch ein Vibrationseffekt erzeugt wurde. Das führte zu guten Resultaten und regte meine Phantasie dahingehend an, dass mir irgendwann im „Klaus K“- Hotel in Helsinki wie aus dem Nichts die Idee zu der IPK-Plus-Methode kam. Erst zum Ende des Jahres 2014 wurde ich von meiner Lebensgefährtin Frau Gabriele Wähner hartnäckig überredet, erste praktische Tests durchzuführen. Sie, die geschickt auch im Umgang mit einer Nähmaschine ist, war es dann, die Polsterungen dafür herstellte. Die IPK-Geräte mit den dazugehörigen Manschetten bekamen wir von einem Hersteller zur Probe. Was wir damit im Schilde führten, bewahrten wir in engen Kreis. Mein Sohn Max und ich waren schließlich die ersten Testpersonen, wobei Max den Vortritt hatte und wir das gesamte Equipment anschließend für eine Woche mit in den Urlaub nahmen, um weitere Trockenübungen in einer Ferienwohnung durchzuführen. Zurück in Berlin war bei meinem Sohn Max ein frisch entstandenes Umknicktrauma mit angeschwollenem Fuß und Sprunggelenk zu behandeln, ein Glück im Unglück, denn aufgezeigt werden konnte die hohe Verträglichkeit der IPK+, da in diesem Fall über einem verletzten und daher besonders berührungsempfindlichen Areal gearbeitet werden musste. Ein befreundeter Arzt, der den Patienten drei Tage zuvor kurz nach seinem Unfall, untersucht hatte, stimmte einem entsprechenden Therapieversuch zu. Die Behandlung wurde infolgedessen bei Max als erstem Patient über einen Zeitraum von etwa 60 Minuten beschwerdefrei durchgeführt. Der Druck wurde von Max selbst in kleinen Schritten innerhalb von 10 Minuten von zunächst sehr leichten 20 bis auf zuletzt respektable 80 mmHg Druck gesteigert. Die Anwendung musste und konnte für ihn über den gesamten Zeitraum völlig beschwerdefrei durchgeführt werden. Allein diese Maßnahme führte zu einer augenscheinlich erheblichen Reduktion des posttraumatischen Ödems. Erfahrungsgemäß kann ein solch deutliches sicht- und tastbares Behandlungsresultat über eine vergleichbare 60 minütige Applikation von Manueller Lymphdrainage (MLD) nicht erreicht werden. Darüber hinaus wäre es wohl in diesem Stadium auch kaum möglich gewesen, eine MLD-Behandlung direkt im Bereich des Schadens schmerzfrei durchzuführen. Der Patient hat sich in den nächsten Tagen nach weiteren IPK+ Behandlungen gesehnt und führte diese schon recht bald völlig selbständig durch, wobei nur noch Kompressionsverbände nach den Anwendungen gelegt werden mussten und die Genesung in wenigen Tagen zügig voranging. Mit der IPK+ Anwendung wurde übrigens auch die Region unterhalb des Knöchels (retromalleolär) erreicht, was mit einer herkömmlichen einfachen Manschette nicht möglich gewesen wäre. Irgendwelche nachteiligen Folgen der Anwendungen waren nicht erkennbar. Wir waren begeistert, eine Vielzahl erfolgreich verlaufender Praxistests mit Patientinnen/-en aus dem gesamten Spektrum Lymphangiologischer Ödemerkrankungen folgte unmittelbar.

Weiterentwicklung der Schneiderschen Idee zu Multifunktionspolsterungen unter IPK
Als Entwickler der IPK+ Methode gingen mein Team und ich dann basierend auf meiner Erfindung noch einige Schritte weiter. Zur Verwendung kommen nun nicht nur eine Sorte, sondern verschiedene Schaumstoffe, die seit Jahrzehnten gut verträglich unter lymphologischen Kompressionsverbänden eingesetzt werden. Entdeckt wurde, dass unterschiedliche Größen und Materialeigenschaften der verbauten Schaumstoffkörper unter IPK+-Anwendungen zu verschiedenen Wirkungen auf Ödeme verschiedener Genese führen. Unterschieden wird zwischen weichen und gut dellbaren bzw. festen und kaum oder gar nicht Dellen hinterlassenden Schwellungen, posttraumatischen Ödemen mit geschädigten Gewebsstrukturen und hoher Druckempfindlichkeit und dem Lipödem. Beim Experimentieren mit vielen verschiedenen elastischen Stoffen wuchs allmählich die Erkenntnis, dass man mit Stoffen, die elektrostatische Eigenschaften aufweisen, bessere Entstauungsresultate erzielt als bei solchen mit antistatischen.
Hierzu ein von Martin Morand durchgeführter Praxistest:
Verwendet wurde Schaumstoff mit einem RG von 35. Zwei Sorten unterschieden
sich ausschließlich dahingehend, dass Typ 1 eine elektrostatische und Typ 2
eine antistatische Eigenschaft besaß. Vom Hersteller waren die Platten über
Falzung so vorbereitet, dass exakte 10-mm-Würfel gewonnen werden konnten.
In gleicher Mengenverteilung wurden diese in Muffen platziert. Bei fünf
Patienten, die für ihre Ödemproblematik noch keine Therapie erhalten hatten,
wurde ein signifikant besseres Entstauungsergebnis bei Verwendung von
elektrostatischem Schaumstoff erzielt als bei Verwendung von antistatischem
Material. Die Tests wurden bei diesen Patienten an zwei verschiedenen Tagen
jeweils zur selben Uhrzeit mit einem immer gleichen Grad an Schwellung
durchgeführt; IPK-Druckstärke und Anwendungszeit waren gleich.
Die Gründe für diese unterschiedlichen Reaktionsweisen sind bislang nicht geklärt.


Der Weg zur Entwicklung der „Fritzeplatte“
Um die Entstehung und Funktionsweise der sogenannten "Fritzeplatte" besser zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst das Wissen zu betrachten, auf das ihr Entwickler, Martin Fritze, zurückgreifen konnte. Basierend auf den zuvor beschriebenen Polsterungen nach Schneider wurden in der Földi-Klinik weitere Versuche unternommen, die darauf abzielten, das Füllmaterial zu optimieren oder neue Einlagen zu entwickeln. Schneider verwendete gut verträgliche, etwa 1 cm große Würfel aus relativ weichem Schaumstoff mit einem Raumgewicht (RG) von etwa 35. Durch das Übereinanderschichten mehrerer Lagen (8-10 cm) entstand eine neue, heute physikalisch nachvollziehbare Wirkung. Diese Polsterungen, unter festen lymphologischen Kompressionsverbänden eingesetzt, konnten sogar bei festen Lymphödemen eine durchschlagshemmende Kraft entfalten.
Diese Ergebnisse sind bemerkenswert, da bereits lange vor Schneiders Erfindung dieser allgemeine Konsens herrschte:
- Bei weichen, leicht eindrückbaren Schwellungen erzielt man die besten Entstauungsergebnisse mit weichen Schaumstoffen (RG ~ 35).
- Bei festen, schwer eindrückbaren Schwellungen hingegen sollten feste Schaumstoffe (RG ~ 120) unter lymphologischen Kompressionsverbänden (LKV) oder Kompressionsstrumpfversorgungen (LKSV) verwendet werden. In der Földi-Klinik wurde hierfür ein gummiartiges Medizinprodukt namens „Komprex“ eingesetzt. Diese Platten konnten zu Streifen oder beliebigen kleineren Teilen weiterverarbeitet werden, wobei vor dem Einsatz stets alle Ecken und Kanten sorgfältig abgerundet wurden, um Verletzungen zu vermeiden.
Die Kombination verschiedener Schaumstoffe wurde aus folgendem Grund bevorzugt:
- Weiche Schaumstoffe besitzen eine hohe Elastizität, ähnlich der einer Stahlfeder. Wenn sie unter einem Verband so angelegt werden, dass sie sich modellierend an den Körper schmiegen, entsteht zwischen der Bindenlage und der Haut eine sogenannte Rückstellkraft. Je voluminöser und elastischer der Schaumstoff ist, desto kraftvoller wirkt diese. Solche Verbände können ihre Kompressionswirkung gut über mehr als zwei Tage hinweg aufrechterhalten.
- Feste Schaumstoffe hingegen haben eine deutlich geringere Elastizität, weshalb sie häufig mit weichen Materialien kombiniert werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Erfahrungen und Fehlerquellen
Aus experimentellen Anwendungen ist bekannt, dass der Einsatz von Schaumstoffwürfeln aus Komprex in nicht abgerundeter Form unter LKV zu inakzeptablen traumatisierenden Wirkungen führen kann. Solche Ergebnisse widersprechen den bisherigen Erkenntnissen und verdeutlichen die Notwendigkeit, Schaumstoffe für den therapeutischen Einsatz sorgfältig zu prüfen!
Die „Fritzeplatte“, oder warum diese notwendig wurde
Die „Fritzeplatte“ entwickelte sich aus diesen Erkenntnissen und stellt eine Weiterentwicklung dar, die durch die gezielte Kombination von Materialeigenschaften optimale Ergebnisse in der Ödemtherapie erzielt. Angesichts der vorangegangenen Beschreibung ist es wenig überraschend, dass die fantastisch wirkenden Schneiderschen Polsterungen aufgrund ihres zwangsläufig dicken Auftragens nicht universell einsetzbar waren. Daher benötigte man eine dünnere Alternative, die dennoch möglichst viele der hervorragenden Eigenschaften der Schneiderschen Polsterungen widerspiegelte. Diese Aufgabe wurde letztlich durch die gezielte Weiterentwicklung gelöst: Fritze schnitt aus dem zuvor 1 cm starken Komprex dünne Streifen, schrägte die Kanten ab und verarbeitete die einzelnen Würfel ebenfalls entsprechend. Das final so gewonnene, pyramidenartige feste Würfelmaterial wurde sehr dicht beieinander auf einem Klebevlies (einem Medizinprodukt) fixiert. Bei Bedarf konnte dieses Material zusätzlich mit elastischen Schaumstoffplatten kombiniert und universell eingesetzt werden. Dadurch wurde es beispielsweise erstmals möglich, die Region über dem Mons pubis (Schambein) gezielt zu versorgen. Auch diese Polsterungseinlage erfreute sich damals in der Földiklinik einer gewissen Beliebtheit, und irgendjemand führte schließlich erfolgreich den Begriff „Fritzeplatte“ ein.

Bernd Schneider und Martin Fritze strebten gemeinsam die Patentierung ihrer Erfindungen an. Doch begrenzte finanzielle Mittel und der hohe Arbeitsaufwand führten dazu, dass Schneider schneller aus dem Projekt ausstieg als Fritze. Zwar erhielt Fritze kein Patent, jedoch erreichte er zumindest eine Offenlegungsschrift, womit ein Stand der Technik etabliert werden konnte [3]. Erst im Oktober 2024 entdeckte er in dem Lehrbuch „Erkrankungen des Lymphgefäßsystems“ (Hrsg. V. H. Weissleder und C. Schuchhardt, 6. Auflage, S. 620) eine genaue Beschreibung der „Fritzeplatte“. Kein Geringerer als Herr Oliver Gültig lieferte dort eine exakte, bebilderte Darstellung sowie eine Bauanleitung für diese Polsterung. Ein Hinweis auf den Entwickler Martin Fritze findet sich in dem Werk jedoch nicht.
Stark vermutlich dienten diese beiden Erfindungen einigen Herstellern als Vorlage für inzwischen industriell angebotene Polsterungen. Vom äußeren Anschein her ähnelt „Mobiderm“ (Markenname der Firma Thuasne) der Fritzeplatte. Bei diesem Produkt sind etwa 1 cm große Würfel aus relativ weichem Schaumstoff dicht an dicht auf einem dünnen Klebevlies angebracht, das gleichzeitig als Deckschicht dient. Die einzelnen Würfel weisen zu der zu behandelten Haut hin ein „Flachdach“ auf.
Wer die Firma bei der Produktentwicklung beraten hat, ist nicht bekannt. Weder Fritze noch Schneider wurden kontaktiert oder waren an der Entwicklung beteiligt.
Die Wirkung
Im Vergleich zum Ideal der Schneiderschen Erfindung ist die Wirkung dieser Fritzeplatte zwar sehr beachtlich, jedoch geringer als die von mehrlagig mit Würfeln gefüllten Polsterungen. Daher empfiehlt sich der Einsatz „der Fritzeplatte“ vor allem in Fällen, in denen das Volumen nicht zu groß ausfallen darf oder soll. Bis zum Jahr 2014 wurden keine Versuche unternommen, solche Polsterungen in Kombination mit der Intermittierenden Pneumatischen Kompressionstherapie (IPK) anzuwenden. Daher wurde die Fritzeplatte ausschließlich unter lymphologischen Kompressionsverbänden bzw. -strümpfen eingesetzt. Lediglich festen Schaumstoffen kann wirklich zugetraut werden, sich unter Druck in krankhaft verhärtetes ödematöses Gewebe „einzugraben“. Mittels pyramidenartiger Kegel gelingt dies freilich besser, als wenn ein „Flachdach“ auf solch induriertes Gewebe trifft. Sobald eine solche Verschmelzung stattgefunden hat, entsteht im Zusammenspiel mit aktiver Bewegung eine Art Massageeffekt, der eine gut tastbare gewebemobilisierende und entstauende Wirkung entfaltet. Selbstverständlich unterstützt der kontinuierlich abfallende Druck von Hand- bzw. Fußaufwärts den Abtransport der Ödemflüssigkeit. Es liegt nahe, dass durch die Durchlockerung des epifaszialen Gewebezylinders auch ein verbesserter Abtransport der Ödeme ermöglicht wird. Hinsichtlich „Mobiderm“ bezweifeln wir bis zum Erbringen eines Gegenbeweises eine vergleichbare Effizienz. Aufgrund der fehlenden Härte und der nicht vorhandenen Spitzen ist anzunehmen, dass sich dieses Material nur unzureichend in eine lymphostatische Fibrose einarbeitet. Zwar tritt eine gewisse Wirkung auf, doch reicht diese aus, um wirklich zufriedenstellend zu sein?
Die Wirkung solcher Polsterungen unter Intermittierender Pneumatischer Kompressionstherapie
Nachdem nun ausführlich dargelegt wurde, wie sich die Schneiderschen Polsterungen und die ähnlich wirkende Fritzeplatte unter lymphologischen Kompressionsverbänden (LKV) bzw. Kompressionsstrumpfversorgungen (LKSV) verhalten, widmen wir uns in den folgenden Ausführungen den Reaktionen solcher Polsterungen unter der Intermittierenden Pneumatischen Kompressionstherapie (IPK). Die IPK ist ebenfalls eine Form der Kompressionstherapie. Im Gegensatz zu LKV und LKSV erfolgt jedoch keine kontinuierlich gleichbleibende Druckausübung. Die IPK ermöglicht eine schnelle und stufenweise Anpassung der Druckstärken, die von sehr leichten 20 mmHg bis hin zu einer gerade noch tolerierbaren Kompression reichen können. Hierbei wechseln sich in einem bestimmten Rhythmus eine Phase des langsamen Druckaufbaus (Inflation) und eine Phase des Druckabfalls auf null (Deflation) ab. Während LKV und LKSV eine aktive Bewegungsdurchführung gut ermöglichen, erscheint dies unter IPK weniger praktikabel. Vielmehr ist es sogar therapeutisch sinnvoll, dass sich Patient: innen während der IPK in einen angenehmen Zustand der Entspannung begeben – bis hin zu einem tiefen, erholsamen Schlaf, der häufig beobachtet wird. Zahlreiche durchgeführte Praxistests mit IPK+ haben eindeutig gezeigt, dass die besten Ergebnisse hinsichtlich Ödementstauung und Lockerung einer lymphostatischen Fibrose mit dickwandigen Polsterungen erzielt werden, die massenhaft frei bewegliches Würfelmaterial enthalten. Im Vergleich dazu schneiden flache Polstereinlagen (einschl. Fritzeplatte) mit unebenen Oberflächen, auf denen der Körper fest fixiert ist, deutlich schlechter ab. Besonders erfreulich ist die Erkenntnis, dass unter IPK auch deutlich festeres Würfelmaterial (RG ca. 120) erfolgreich eingesetzt werden kann. Dies führt zu einer signifikant besseren Gewebelockerung und Entstauung bei schwer dellbaren Lymphödemen.
Der Grund, warum diese Erfolge unter IPK auch ohne aktive Bewegung möglich sind, lässt sich wie folgt erklären:
Morphologische Veränderung
Es ist bekannt, dass die IPK in ihrer traditionellen Anwendung Schwachstellen aufweist, die sich hauptsächlich aus physikalischen Gesetzen ableiten lassen. Nach dem Laplace-Gesetz können Flächen nicht komprimiert werden, es sei denn, sie werden morphologisch verändert. Wenn Material so aufgebracht wird, dass es an einem Punkt mehrschichtiger aufliegt als an einem angrenzenden Bereich, entsteht ein kontinuierliches Druckgefälle. Unter diesem gezielten Druck lässt sich eine präzise Entstauung erzielen. Eine solche zielgerichtete Drucksteuerung ermöglicht beispielsweise die effektive Behandlung von Schwellungen im Genital- und Rumpfbereich. Darüber hinaus bildet eine vollständig aufgepumpte IPK-Manschette eine feste lineare Fläche. Dies führt zwangsläufig zu weniger gut versorgten Bereichen, wie den Retromalleolarregionen, der Kniekehle oder dem Leistenbereich. Es wird deutlich, dass ein notwendiger morphologischer Umbau oder das gezielte Auffüllen von Hohlräumen am besten durch dicke Schichten aus Würfelmaterial erreicht werden können. Die fehlende Kammerstruktur in solchen Polsterungen eröffnet zudem zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, die eine individuell angepasste und optimierte Behandlung gestatten.
Gewebemobilisation durch IPK+
Die Gewebemobilisation gelingt auch ohne aktive Bewegung, da der von unten nach oben bzw. von Kammer zu Kammer langsam aufbauende Druck einen dicken Haufen Würfel nicht nur intermittierend in den Hautmantel drückt, sondern darüber liegende, frei bewegliche Schichten wellenartig massierend nachrücken lässt. Gleichzeitig werden dabei auch spreizende Scherkräfte induziert. Nach einer solchen IPK+-Anwendung ist ein deutlich gewebelockernder Effekt wahrnehmbar, der eine effektivere Ödemausleitung fördern dürfte. Betrachtet man dabei, dass die dicke Würfelmasse von distal (unten) nach proximal (oben) immer unterhalb stärker unter Druck steht als oberhalb, wird die Ödemflüssigkeit kontinuierlich in die gewünschte Abflussrichtung transportiert. Dies lässt sich mit dem Prinzip vergleichen, wie der Inhalt einer Tube durch gezielten Druck herausgepresst wird. Bedauerlicherweise wurden bisher keine Studien durchgeführt, um nachzuweisen, ob durch diese Methode auch eine Anregung der Lymphangiomotorik erfolgen könnte.
Senkung der Viskosität von Ödemflüssigkeit
Dies vorweg: Wer sich für dieses Thema näher interessiert, sei auf die Publikation [1,2] verwiesen. In dieser wird bis heute unwidersprochen im Detail erklärt, wie es mit dem IPK+-Verfahren möglich sein kann, zur Verfestigung neigende Ödemflüssigkeit in ihrer Viskosität (Zähigkeit) zu reduzieren und somit ihren Abtransport zu verbessern. Eine zentrale Rolle spielt dabei die bereits beschriebene massageartige Wirkung, die dazu beiträgt, dass sich verknäulte Molekülketten neu ausrichten. Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, wenn die Ödemflüssigkeit in einen intensiveren Fluss gebracht wird. Darüber hinaus wirkt die dicke Würfelschicht isolierend gegen die anflutende Körperwärme, was ebenfalls eine viskositätssenkende Wirkung mit sich bringt.
Zusammenfassung
Aus zehnjähriger Erfahrung (Stand 2024) zeigt sich, dass durch einzelne Anwendungen der IPK+ ein bisher unvergleichlich starker Verschub von Ödemflüssigkeit erreicht werden kann. Je weicher das Ödem, desto schneller und intensiver erfolgt die Entödematisierung. Dank der Möglichkeit einer gezielten Drucksteuerung, unterstützt durch eine durchdachte morphologische Veränderung, wird es möglich, Ödemflüssigkeit auch aus oder über den Rumpf hinaus in Gebiete mit einem suffizienten Lymphgefäßsystem zu transportieren – eine Fähigkeit, die bislang nur der manuellen Lymphdrainage zugeschrieben wurde. Unter der Anwendung der IPK+ treten eine Vielzahl positiver Effekte auf, wie die Senkung der Viskosität der Ödemflüssigkeit und ein kontinuierlicher Verschub derselben, unterstützt durch eine ebenfalls über die IPK+ erreichte Durchlockerung des Hautmantels. Auch wenn eine direkte Anregung der Lymphgefäßmotorik bisher nicht nachgewiesen wurde, sprechen theoretische Überlegungen stark dafür, dass eine solche Wirkung wahrscheinlich ist.
Aus rein theoretischer Perspektive lassen sich zudem klare Vorteile der definierten, würfelgefüllten Polsterungen im Vergleich zu allen anderen dünneren Einlagen ableiten.
Neueste Initiativen, die solche von der Industrie gefertigten Polsterungen unter IPK anpreisen, unterstützen wir ausdrücklich nicht.
Fortsetzung folgt